Schwester Gudula Busch ist tot! Eine Nachricht, die viele Menschen traurig macht und gleichzeitig viele Erinnerungen an die Begegnungen mit ihr weckt. Sie vereinte viele Eigenschaften und Kompetenzen in sich. Von daher kannten und schätzten viele Menschen verschiedene Facetten an ihr.
Geboren wurde Sr. Gudula am 22. April 1934 in Bocholt/Westfalen. Sie absolvierte die Ausbildung als Bürokauffrau und trat am 21.01.1955 in die Gemeinschaft der Schwestern vom Guten Hirten in Münster ein. Schon bald danach, gerade erst Novizin, erhielt sie einen besonderen Auftrag: Prof. Dr. Max Bierbaum hatte ein Buch über Schwester Maria Droste zu Vischering von Schloss Darfeld bei Münster geschrieben, ein handschriftliches Skript, das Sr. Gudula nun auf der Schreibmaschine abtippen sollte. Hierbei entstand und wuchs ihre große Liebe zu Schwester Maria, die 1888 ebenfalls in das Kloster der Schwestern vom Guten Hirten in Münster eingetreten war und den Ordensnamen Schwester Maria vom Göttlichen Herzen erhalten hatte.
Am 01. November 1975 wurde Schwester Maria auf Anregung von Papst Leo XIII seliggesprochen. Sr. Gudula war maßgeblich an der Beschaffung aller dafür notwendigen Unterlagen beteiligt. Bis an ihr Lebensende war es „ihre Maria“, in deren nicht einfachem Charakter sie sich selbst wiederfand, wie sie oft sagte. So manche Krisensituationen hätte sie nur mit ihr durchgestanden.
„Wir brauchen Beziehungen“ – Das hat sie stets bewiesen
Als Profess-Schwester absolvierte sie die Ausbildung zur Sozialarbeiterin. Im Fach Versicherungswesen lernte Sr. Gudula den entsprechenden Dozenten kennen und schätzen. Er war Direktor der Landesversicherungsanstalt in Münster. Sie erkannte, dass das bisherige System der Krankenversorgung für die Schwestern nicht mehr zukunftsweisend war. Man vertraute auf Gottes Vorsehung und auf Ärzte, die bereit waren, die Schwestern „für ‘n Appel und ‘n Ei“ zu behandeln. So holte sie sich ihren ehemaligen Dozenten zur Unterstützung, um mit seiner Hilfe für die Schwestern vom Guten Hirten ein Renten- und Krankenversicherungssystem aufzubauen. „Ohne Dr. Grenz hätte ich das nie geschafft“, betonte Sr. Gudula immer wieder. In der Folge wurde sie diesbezüglich von vielen Ordensleuten angefragt und um Beratung gebeten, was sie gerne tat. Es war Sr. Gudulas Prinzip: „Wir brauchen Beziehungen. Ohne diese schmoren wir im eigenen Saft und kommen nicht voran in unserer Zeit.“ Das hat sie auch stets bewiesen.
Als frisch ernannte Provinzökonomin 1968 und nach ihrer Teilnahme am weltweiten Reformkapitel der Schwestern vom Guten Hirten im Jahr 1969 im Mutterhaus in Angers/Frankreich nahm Sr. Gudula auf der Grundlage der neuen Konstitutionen die Umstrukturierung der apostolischen Aufgaben in den Niederlassungen der Norddeutschen Provinz in Angriff. Zusammen mit der neu gewählten Provinzleiterin und dem neuen Verwaltungsleiter trieb sie die umfangreichen Folgen für den Immobilienbestand mutig und innovativ voran. „Aufbruch durch Abbruch“ hieß nun das Motto. Wenn bei den Schwestern Trauer oder Widerstände hochkamen, pflegte sie zu sagen: „Wir haben unsere Gelübde doch nicht auf Mauern abgelegt, sondern auf das Heil der Menschen. Und dafür müssen wir loslassen, neue und effiziente Wege gehen.“
Mit dem Aufbau einer Provinz – Zentralverwaltung ab 1971 für die Aufgaben Personal-, Finanz,- Bau- und Immobilienverwaltung und der Aufstellung eines Verwaltungsstatuts arbeitete Sr. Gudula mit Unterstützung von externen Mitarbeiter*innen die Grundlagen aus für eine zeitgemäße, Synergie-Effekte ausnutzende Verwaltung der „zeitlichen Güter“. Wichtig dabei war auch der Gedanke der Gerechtigkeit: Mit dem neuen System sollte es keine ärmeren und reicheren Niederlassungen mehr geben.
Provinzübergreifend unterstützte Sr. Gudula die Durchführung von Teilaufgaben der Zentralverwaltung für die Rheinische- und Süddeutsche Ordensprovinz, woraus sich 2006 für die Schwestern in ganz Deutschland die Deutsche Provinz der Schwestern vom Guten Hirten, KÖR entwickelte.
40 Jahre lang, von 1968 bis 2008, übte Schwester Gudula das Amt der Provinzökonomin aus, war zeitweise zugleich Oberin, vor allem dort, wo gerade bauliche und strukturelle Veränderungen anstanden.
1979, als Oberin in Ibbenbüren, reagierte sie sofort und beherzt auf eine Anfrage der Stadt und nahm 20 unbegleitete vietnamesische Kinder auf, die von dem deutschen Ärzteschiff Cap Anamur aus dem südchinesischen Meer gerettet worden waren. Eine Frau der schnellen Entschlüsse.
Näher und direkter zu den Menschen
1998, als Sr. Gudulas Mandat als Oberin in Hofheim zu Ende war, unterbreitete sie ihrer Provinzleiterin ihren tiefen Wunsch, näher und direkt mit Menschen arbeiten zu können, vor allem mit benachteiligten Menschen. Auf Anfrage beim Limburger Bischof Kamphaus, wo er denn gerne eine kleine Kommunität der Schwestern von Guten Hirten in seiner Diözese sehen würde, fiel die Wahl auf einen sozialen Brennpunkt am Frankfurter Berg. Zusammen mit zwei anderen Schwestern entstand dort also der neue Wirkungskreis, in den sich Sr. Gudula mit Herzblut einbrachte. Schwerpunkt waren Migrantenfamilien, möglichst mit Anbindung an die Pfarrei. Die Schwestern bezogen ihr neues Domizil im 8. Stock eines Hochhauses, das zu 80 Prozent von Migrant*innen bewohnt war. Was wollte das Guthirten-Herz mehr? Der Dienst der Schwestern bekam den Namen Maria-Droste-Service. In ihrer kommunikativen und zupackenden Art verschaffte sich Sr. Gudula schnell Einblick und Überblick in die Situation der Menschen vor Ort. Gemeinsam bemühten sich die Schwestern um die Integration. Sr. Gudula kämpfte für sie, wenn es um Asyl, Abschiebung, Aufenthalt, Arbeit und Sozialleistungen etc. ging und scheute keinen Weg bis in die obersten Etagen. Bald sprachen die Leute von den „ guten Schwestern vom Berg“. Es dauerte nicht lange, dann war Sr. Gudula auch Mitglied im Stadtsynodalrat der Stadt Frankfurt.
2007 wurden die Schwestern für ihr Wirken mit dem Integrationspreis der Stadt Frankfurt ausgezeichnet. 2008 wurde ihnen der Preis des „Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt“ verliehen.
Ein Dorn im Auge war Sr. Gudula die kleine, armselige Kirche vor Ort, die sich eher abstoßend als anziehend darstellte. Sie wurde vor allem von einigen alteingesessenen Pfarrmitgliedern besucht. Ein lebendiges Pfarrleben und vor allem eine Einbindung christlicher Migrant*innen existierten nicht.
Und siehe da, in einer Zeit, in der Kirchen geschlossen, anderen Zwecken zugeführt oder abgerissen werden, schaffte es Sr. Gudula mit viel Überzeugungskraft und Nutzung ihrer Beziehungen zu Geldgebern bis in die obersten Gremien der Diözese, dass eine große neue Kirche mit ca. 400 Plätzen gebaut werden konnte. Durch den Ausbau leer stehender Kasernen hatten inzwischen viele neu Zugezogene und potentielle Kirchenbesucher den Bewohneranteil vergrößert. Sr. Gudula selbst beriet die Architekten und mischte sich mit ihrer Bauerfahrung während der ganzen Bauzeit mit ein – auch bei der Möblierung. Bei der Einweihung der Kirche war diese bis auf den letzten Platz gefüllt, und zwei Drittel der Messdiener/innen waren Kinder aus den Migrantenfamilien!
„Und jetzt ist es gut“
Als die Kräfte der Schwestern altersbedingt nachließen, entschieden sie sich, die Arbeit auf dem Frankfurter Berg zu beenden. Dazu die nüchterne Aussage von Sr. Gudula: „Wir haben hier angefangen in einem Alter, in dem andere Menschen in Rente gehen – und jetzt ist es gut.“ Sie bezeichnete diese 13 Jahre als die beste Zeit ihres Ordenslebens.
Schwester Gudula war ein Mensch mit Visionen und starkem Selbstbewusstsein, gepaart mit Klarheit, Tatkraft, Realitätssinn, Vorausschau, Entscheidungsfreudigkeit – nicht immer einfach für Mitschwestern und Mitstreiterinnen. Mit ihrem Optimismus konnte sie so manche Bedenkenträgerinnen mitnehmen. Durch ihre Redegewandtheit, ihre kommunikative Art und ihren nüchternen, unerschütterlichen Glauben konnte sie viele Menschen erreichen. Mit ihr geht in der Deutschen Provinz eine Ära zu Ende.
Ihre Liebe zum Guten Hirten, die Leidenschaft für Sein Werk, die weltweite Kongregation der Schwestern vom Guten Hirten, für die sie sich auch „weltweit ausstreckte“ um zu unterstützen, wo Not war – und die Liebe zu Schwester Maria Droste zu Vischering, prägten ihr Ordensleben.
Wie Schwester Gudula im Leben immer wieder loslassen konnte, so konnte sie nun auch ihr eigenes Leben loslassen, es Gott überlassen und ganz entschieden sagen: “Ich habe keine Angst vor dem Tod!“ Ihr gefiel die Vorstellung, dass Schwester Maria sie abholen würde, um mit ihr in die Ewigkeit einzutauchen.
Am 30. August 2022 durfte sie in die Wohnung einziehen, die Jesus ihr bereitet hat, nah bei IHM. „Damit auch ihr seid, wo ich bin“ (Johannes 14,3)
In Namen der Schwestern vom Guten Hirten am 7.September 2022
Sr. Daniela Kubiak