Schwestern vom Guten Hirten

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Schöne neue Welt? – Die Pandemien in der Geschichte der Kongregation

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Das Coronavirus und seine Folgen waren noch vor wenigen Monaten unvorstellbar. Dabei ist die aktuelle Pandemie bei Weitem nicht die erste, die die Schwestern vom Guten Hirten erleben. Schon in Zeiten von Pest und Cholera standen sie an der Seite der Schwächsten.[1]

Zwei Jahre nach seiner Weihe bittet ein junger Ordenspriester seinen Oberen um die Versetzung in seine Heimat. Er will zurück in die Normandie, die von einer schweren Seuche heimgesucht wird. Zusammen mit einem Freund, ebenfalls Priester, bringt er den Kranken die Heilige Eucharistie und nimmt ihnen die Beichte ab. Der Priester ist der Heilige Jean Eudes – die Seuche ist die Pest.

In seiner Biografie über den Heiligen beschreibt Paul Micent, wie Jean Eudes und sein Begleiter sich 1627 um die hochansteckenden Kranken kümmern: „Jeden Morgen verließen sie das Haus, nachdem sie die Messe gefeiert hatten. Jean Eudes trug eine Blechdose um den Hals, in der er die konsekrierten Hostien aufbewahrte. Zwei Monate besuchten sie die Kranken Tag für Tag.“[2]

Als die Pest 1631 nach Frankreich zurückkehrt, ist Jean Eudes wieder der Seite der Kranken. Er nimmt ihren Lebensstil an, isoliert sich mit ihnen auf den Wiesen vor der Stadt. So wie sie betet, schläft und isst er in einem der Holzfässer, die den Kranken als Behelfsunterkunft reichen müssen. Erst als sein Ordensoberer in Caen und zwei seiner Mitbrüder selbst erkranken, kehrt er in sein Kloster zurück. Zwei der Brüder sterben in seinen Armen, bevor er sich selbst infiziert. Jean Eudes fällt dem schwarzen Tod nicht zum Opfer, sondern erholt sich und geht vom Evangelium gestärkt aus der Seuchenzeit hervor, so sein Biograf.[3]

Wenige Jahre später wird Jean Eudes die Gemeinschaft „Unsere Frau von der Liebe“ gründen, aus der etwa 200 Jahre später durch das Zutun von Maria Euphrasia Pelletier die „Schwestern vom Guten Hirten“ hervorgehen werden.

Die gefürchtetste Plage und ihre Widersacherin

In die Zeit von Maria Euphrasia Pelletier fällt die zweite große Pandemie in der Geschichte der Schwestern: die Cholera. In den Archiven des Mutterhauses in Angers findet sich eine Mitteilung aus dem Turin des Jahres 1854: „In unserer Nachbarschaft hat die Cholera die höchste Zahl an Opfern gefordert. Die Häuser um unseres haben viele Opfer gezählt, ebenso wie die Quarantänestation, die nur wenige Meter entfernt liegt. In der Nacht war unser Haus oftmals von den Strohmatratzen erleuchtet, die verbrannt wurden, weil Kranke auf ihnen gelegen hatten.“

Noch im selben Jahr trifft die Pandemie auch Bourges in Frankreich. Als Maria Euphrasia Pelletier davon erfährt, zögert sie nicht, die Apothekerin und die Erste Krankenschwester des Mutterhauses in die Bischofsstadt zu schicken. Dabei setzt sie auf die moderne Technologie der Zeit: Sie kündigt das Eintreffen der Schwestern per Telegrafie an.

Die Erste Krankenschwester, Sr. Maria von Johannes Chrysostomos Royer, hat dem Archiv Aufzeichnungen aus dieser Zeit hinterlassen: Als die beiden Schwestern in Bourges eintreffen, sind 28 Personen in der Fürsorge der Schwestern erkrankt. Vier Schwestern sterben im Verlauf – darunter die Krankenschwester des dortigen Konvents. Der Arzt weicht den Kranken nicht von der Seite, während der Kardinal-Erzbischof die Verlegung der vielen Kranken in das neu erbaute Studienseminar in die Wege leitet, so Sr. Maria.[4]

„Ihre Namen sollen nicht ungenannt bleiben“

„Drei Heldinnen erlagen. Ihre Namen sollen nicht ungenannt bleiben; sie gehörten zur Kongregation der Schwestern vom Guten Hirten von Angers“[5], schreibt eine französische Zeitung über die Choleraepidemie in Ägypten. Zuvor hatten sie in einem Brief ans Mutterhaus die Umstände in Nordafrika geschildert: „Wir befolgen die Maßnahmen, die der Arzt vorschreibt: Nicht eine einzige Frucht kommt ins Haus. Wir essen nur Fleisch, Reis und Kartoffeln.”[6]

Auszug aus der Zeitung „Les Petites Nouvelles“

Eine Schwester in Toulouse schreibt im Jahr 1884 nieder, wie die Cholerapatientinnen in ihrem Haus versorgt werden sollen: Wenn sich der Zustand verschlechtert, sollen sie „zusammen mit Wärmeflaschen und warmen Steinen in eine Wolldecke gewickelt werden, um sie aufzuwärmen.“[7] Wenn eine Kranke Krämpfe bekommt, soll die Patientin „mit der Hilfe von Wollsocken, die über die Arme gezogen werden, abgeschrubbt werden“[8]. In der Genesungsphase legt die Schwester besonderen Wert auf die Ernährung der Patientinnen: Eine fettlose Brühe soll so lange gereicht werden, „bis die Patientin wieder ein kleines Steak essen kann.“[9]

Auszug aus einem Brief vom 1. September 1884

Eine neue Welt der Hoffnung?

Auf die Cholera folgten Typhus, Tuberkulose und zuletzt, 1918, die Spanische Grippe. Von den Opfern, die jede dieser Epidemien forderten, erzählen die Archive der Gemeinschaft. Sie berichten auch, dass sich in jeder Gesundheitskrise Schwestern fanden, die ihre Aufgabe ernstgenommen haben und den Menschen aus freien Stücken und innerer Überzeugung beigestanden haben. Die heilige Maria Euphrasia Pelletier hat ihre Mitschwestern ermutigt, die Kommunikationsmittel ihrer Zeit zu nutzen, um in Verbindung zu bleiben.

Auch heute, in den Jahren 2020 und 2021 sind Schwestern vom Guten Hirten auf der ganzen Welt Covid-19 zum Opfer gefallen. Dennoch haben die Schwestern ihre Aufgabe nicht vernachlässigt und waren weiterhin an der Seite der Schwächsten. Ob nach der Pandemie eine neue Welt anbricht? Eine geschwisterliche Welt, in der die Menschen zusammenhalten? Eine Welt der Hoffnung, in der die Gegenwart Gottes im Herz eines jeden Menschen eine Quelle des Lebens ist? Durch das selbstlose und mutige Wirken der Schwestern über die Jahrhunderte bekommen wir zumindest einen kleinen Eindruck, wie diese neue Welt sein könnte.


[1] Der Artikel basiert auf einem Beitrag auf der Internetseite des Generalats der Schwestern vom Guten Hirten: (https://rgs.gssweb.org/en/news/epidemics-history-congregation#_ftn8). Die Zitate wurden von dort aus dem Englischen übersetzt, angegeben sind die Fundorte in der Originalquelle.

[2] Paul MILCENT, Un artisan du renouveau chrétien au XVIIe siècle, S. Jean Eudes [An artisan of the Christian revival in the 17th Century], Cerf, 1985, p. 37.

[3] Paul MILCENT, Un artisan du renouveau chrétien au XVIIe siècle, S. Jean Eudes [An artisan of the Christian revival in the 17th Century], Cerf, 1985, p. 43-45.

[4] Annals of the Motherhouse, book 4, p. 415-417.

[5] “The Heroines”, in the newspaper entitled Les Petites Nouvelles [The Small News], n°110, 26th August, 1 M 2 / 19.

[6] Letter from the Superior, Sr. Mary of St. John the Evangelist Simon, to St. Mary Euphrasia from 27th June 1865, 1 M 2 / 2. She died on 6th July aged 32.

[7] Letter from 1st September 1884, 3 H 2 / 24.

[8] Ebd.

[9] Ebd.

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